AKTUELL (AAA-Deutschland) von Rainer Bergmann  
     
  Vinyl1 und Vinyl2  
     
  Jeder, der auch nur hin und wieder Schallplatten auf Flohmärkten, Plattenbörsen oder in Secondhand-Läden kauft, weiss um die Notwendigkeit einer Plattenwäsche. Aber auch nagelneue Platten sollten gewaschen werden. Das erscheint erst einmal unsinnig, sind sie doch offensichtlich sauber. Eben nur offensichtlich, aber nicht, wenn man sie sich unter einem Mikroskop ansieht. Dort sieht man neben feinsten Staubpartikeln auch noch einen feinen, fettig-schmierig wirkenden Belag. Die Staubpartikel bekommt man problemlos mit der bewährten Mischung aus 70% destilliertem Wasser (etwas besser, aber teurer und schwierig zu bekommen, falls man nicht gerade in einem Krankenhaus arbeitet: Ampuwa) und 30% Isopropanol (100%-rein) plus einem Tropfen Spüli auf den Liter, von der Platte weg. Was damit nicht, oder zumindest kaum weggeht, ist dieser Belag. Dieser ist das bei der Produktion verwendete Trennmittel. Wie mir bei zahlreichen Gesprächen versichert wurde, kann man diesen mit Ethanol zu Leibe rücken. Nachteil, neben der Feuergefährlichkeit: man muss es mehrmals anwenden, um das Trennmittel rückstandsfrei aus der Rille zu bannen.

Nun hat die Schweizer Firma Audiotop eine ganze Reihe an Reinigungsmitteln für Hifi-Zwecke auf den Markt gebracht. Diese Firma stellt seit langer Zeit industrielle Reinigungsmittel her und kann von daher mit dem nötigen wissenschaftlichen Know-how aufwarten. Die Produkte sind mithin also keine irgendwie zusammengepanschten Wässerchen, sondern auf ihren Einsatzzweck hin optimierte Reinigungsflüssigkeiten.

Wie ich mich selbst überzeugen konnte, ist die Reinigungswirkung der Vinyl1 genannten Flüssigkeit nicht weniger als grandios. Sämtliche Verunreinigungen inklusive des Trennmittels werden in einer einmaligen Wäsche restlos entfernt. Der mit ca. Euro 110.00 pro Liter recht hohe Preis relativiert sich, wenn man bedenkt, dass eine mehrfache Reinigung mit Ethanol, die erforderlich ist, um dasselbe Ergebnis zu erreichen, mit ca. Euro 180.00 umgerechnet auf 1 Liter zu Buche schlagen würde.

Wie sich das Ergebnis klanglich darstellt? Nach einer "herkömmlichen" Plattenwäsche klingt alles etwas präziser, ruhiger, im Bass satter, in der Mitten geschmeidiger, in den Höhen feinsinniger, insgesamt besser durchhörbar, mit mehr Details und Feinstinformationen. Aber mit Vinyl1 gewaschen passiert das gleiche noch einmal. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber es ist so, als sei die vorher gewaschene Platte überhaupt nicht gereinigt gewesen. Zugegebenermassen ist die Deutlichkeit der Steigerung vom Auflösungsvermögen der Anlage abhängig. Dennoch ist eine Verbesserung in jedem Fall wahrnehmbar!

Es ist aber noch mehr möglich, mehr Auflösung und mehr Dynamik. Mit Vinyl2. Dieses soll die Oberfläche der Schallplatte entspannen. Die durch den Kontakt mit Trennmittel, Wasser und Alkohol entstandenen Oberflächendeformationen sollen abgebaut und dem Abtaster das Gleiten durch die Rille erleichtert werden. Dies soll, laut der dem Internet veröffentlichten Erklärung durch ein in der Flüssigkeit enthaltenes Gas geschehen, das diese Deformationen wegdrückt.

Hier sind aber, so denke ich, ein paar Worte der Kritik angebracht. Ich habe mich früher sehr intensiv mit Chemie und Physik beschäftigt und halte diese Erklärung mit Verlaub für Humbug. Ein verdunstendes Gas ist nicht in der Lage irgendwelche "Deformationen" in einem so stabilen Material wie Vinyl "wegzudrücken". Auch zwei zu Rate gezogene Chemiker haben dies genauso gesehen. Viel wahrscheinlicher ist, dass durch die Verdunstung eine Abkühlung des Vinyls erfolgt, wodurch die Oberfläche unnachgiebiger gegenüber den Bewegungen des abtastenden Diamanten ist. In der Folge können die feinsten Rillenmodulationen besser abgetastet werden. Die Firma Last hatte vor Jahren bereits ein solchermassen wirkendes Mittel auf den Markt gebracht, und bereits zu meinen Schülerzeiten gab den Tipp, die LP vor dem Abspielen eine zeitlang in den Kühlschrank zu legen…*

Wie dem auch sei, nach meinen Erfahrungen, aber nicht nur meinen, ist die nochmalige Verbesserung nicht so deutlich, wie die nach Reinigung mit Vinyl1 (die in jedem Fall vorher durchgeführt werden muss), aber nachvollziehbar. Mit Euro 87.00 für 50 ml ist Vinyl2 nun wahrlich nicht billig - nach meiner persönlichen Meinung viel zu teuer, aber für den, der das letzte aus seinen LPs herausholen will, und dessen Anlage das auch ohne Einschränkung rüberbringen kann, ist es das Tüpfelchen auf dem i. Und das war im Hifi noch nie für’n Appel und’n Ei zu bekommen.

Audiotop bietet mit Vinyl1 und Vinyl2 zwei sich optimal ergänzende Produkte an, die jedes für sich, nach (nicht nur) meinen Erfahrungen das Beste darstellen, was es an Reinigungsflüssigkeiten für LPs zu kaufen gibt. Gerade Vinyl1 ist, trotz seines Preises, preiswert im Sinne eines reellen Gegenwertes. Dass es ein mehrfaches Plattenwaschen überflüssig macht, und man für die eingesparte Zeit länger Musik hören kann, fällt erst bei einem grösseren Plattenstapel ins Gewicht, aber es macht das Ganze nur noch empfehlenswerter.

www.aaanalog.de

 
     
   
  * Anmerkungen Audiotop: Auch wenn der Autor es nicht für möglich hält, entspricht das Wirkungsprinzip von Vinyl2 trotzdem unserer Beschreibung (aus Produktschutzgründen, können wir leider keine genaueren Details bekannt geben). Die Theorie der Abkühlung stimmt spätestens dann nicht mehr, wenn die Schallplatte bei Erreichen der Zimmertemperatur aufgelegt wird - und genau so gut klingt.